Addis Abeba, die Hauptstadt Äthiopiens mit 4 Millionen Einwohnern, zeigt sich im Regen. Der Blick aus dem fahrenden Auto bleibt an vermummten Frauengestalten hängen, die mit abgewetzten Besen die Strassen putzen. Diese Arbeiterinnen mit den bedeckten Gesichtern und grossen Strohhüten möchte die Filmerin Corinne Kuenzli näher kennenlernen. Anfangs ein schwieriges Unterfangen, denn dir Frauen fürchten, ihren überlebensnotwenigen Job zu verlieren. Einzig eine Frau spricht vor laufender Kamera. Doch sie versteckt ihr Gesicht hinter einem Tuch und Sonnenbrille und beschreibt ihre Arbeit nur in lobenden Tönen. Über eine mühsame Odysse nach Drehbewilligungen bei der Stadtverwaltung, wo die Frauen angestellt sind, gelingt es der Filmerin den Frauen Sicherheit zu geben und ihr Vertrauen zu gewinnen. Nun legen sie ihre Verhüllung ab und lassen die Regisseurin mit ihrer Crew sogar bei sich zuhause in den engen Wohnverhältnissen drehen.
Und plötzlich ist es da - das unverhüllte, schöne und würdevolle Gesicht einer älteren Frau. Wir dürfen ihr zuhause beim Bauwolle spinnen zuschauen und erfahren in mehreren Gesprächen von ihrer Lebensgeschichte, ihren Sorgen und Nöten, aber auch von ihren Freuden und Hoffnungen. Ihr Schicksal gleicht dem der drei anderen portraitierten Arbeitskolleginnen, und trotzdem hat jede Strassenfegerin ihre eigene, individuelle Geschichte. Allen gemeinsam ist die Notwendigkeit, diese harte Arbeit verrichten zu müssen, um das Überleben ihrer Kinder, Familie und sogar der Verwandtschaft zu sichern. Die Frauen und Mütter haben keine Wahl und sind dankbar für diesen harten Job. Denn neben den körperlichen Strapazen erleben sie auch Freundschaft und Solidarität untereinander. So sieht man sie bei der gemeinsamen Feier eines Mariengottesdienstes. Wunderschön sehen die Frauen in ihren weissen Gewändern aus. Nach dem gemeinsamen Gebet mit dem Priester steigert sich das Zusammensein in eine Feier mit Tanz und Gesang. Dieser intime Moment fängt der Film mit derselben Behutsamkeit ein wie die Alltags- und Gesprächssituationen in den vier Wänden der Protagonistinnen. Man sieht die Ehefrauen und Mütter in der Diskussion mit der Familie, bei der arbeitsintensiven Hausarbeit wie Kochen und Waschen, bei einer Kaffeezeremonie und beim Beten. Wortwörtlich arbeiten die Frauen bis zum Umfallen oder wie die ältere Atsede Dagne sagt, bis ihr die Knie zittern. Doch ohne Job gibt es kein täglich Brot. Entsprechend vorsichtig bleibt die Kritik der Strassenfegerinnen an ihrem Arbeitgeber. Einzig die jüngste der Frauen, die dank einer hart erkämpften Weiterbildung nun eine Arbeit in der Bibliothek gefunden hat, wagt, die verschiedenen Gesundheitsschäden und Misstände zu benennen. Sie ist auch die einzige, die keine Kinder hat, sondern noch zuhause bei ihrer Familie wohnt. So kann sie sich ab und zu einen Bummel über den Markt gönnen - doch kaufen kann auch sie sich nichts.
Die Aussagen der Strassenfegerinnen sind verwoben mit atmosphärisch starken Aufnahmen ihres Alltags und vermitteln so auf dichte Weise das Lebensgefühl dieser von Armut gezeichneten Frauen. Und gerade ihre Unermüdlichkeit und Demut verschafft den vier Überlebenskünstlerinnen eine beeindruckende Würde. Zudem erzeugt die Filmmusik des Äthiopiers Abegasu Shiota mit seinen schwebenden Flötenklängen einen wohltuenden Kontrast zu der Schwere der Arbeit und Existenz dieser Frauen.Von der politischen Situation Äthiopiens erfahren wir in einer Sequenz, wenn der Film die Strassenfegerinnen verlässt und mit wenigen, aber aussagekräftigen Fotos die blutigen Untruhen bebildert, welche die Dreharbeiten mit den Frauen zeitweise verunmöglichen. Die Standbilder verzichten auf reisserische Momente und lassen gerade dadurch mehr von der harten Wirklichkeit erahnen. Dieser zurückhaltende Grundton ist die Stärke des gesamten Filmes. Denn auch die Annäherungen an die Protagonistinnen sind von Respekt und Behutsamkeit geprägt. Zudem thematisiert die Filmerin die Unterschiede der Lebensumstände zwischen den portraitierten Frauen und ihrem eigenen Leben. Denn bald wird sie wieder abreisen und in wohlgeordnete europäische Verhältnisse zurückkehren. Ihr Aufenthalt hat uns um einen einfühlsamen Einblick in den so fremden Kontinent Afrika bereichert.