Anmerkungen der Regie: Pascal Hofmann
Not Vital ist sowohl Kosmopolit als auch Eigenbrötler, ein Mann von Welt und ein Bündner Urgestein, er vereint Widersprüche und wenn er eines nicht ist, dann ist es angepasst. An einem Portrait über ihn mitzuwirken interessierte ihn lediglich dann, wenn etwas «Neues» und «Eigenständiges» entstehen würde. Das Geschichtenerzählen, die Überhöhung und die Verdichtung – alles auch Stilmittel in Vitals künstlerischem Repertoire – wurden so zu meinem Wegweiser.
NOT ME ist mein drittes filmisches Künstlerportrait. Die ersten beiden – über einen Musiker und über einen Regisseur – realisierte ich in Co-Regie mit dem Zürcher Filmemacher Benny Jaberg. Auch für das aktuelle Projekt arbeite ich mit Benny, er verantwortet die bereits mit dem «Deutschen Kamerapreis 2020» ausgezeichnete, wunderbare Kameraarbeit. Mit NOT ME habe ich mich erstmals mit einem bildenden Künstler beschäftigt. Obwohl ich mit jedem Projekt Neuland betrete, konnte ich auf meine Erfahrungen zurückgreifen, gab es Verbindungspunkte.
«Wenn du jemanden beschreibst, beschreibst du eigentlich dich selbst», sagte Daniel Schmid in unserem Künstlerportrait «Le chat qui pense». Dieser programmatische Satz legt gewichtige Aspekte meiner Arbeit offen. Als Filmautor suche ich nach eigenen inneren Resonanzräumen für die Kunst des Gegenübers und nach Schnittmengen. Selber in den Bündner Bergen aufgewachsen, hege ich ein Interesse an der künstlerischen Auseinandersetzung mit meiner alpinen Heimat.
Es sind oftmals kindliche Träume und Sehnsüchte, die uns zeitlebens Antrieb bleiben. NOT ME folgt der Frage, welche Rolle diese in Vitals Schaffen spielen. Er selber sagt dazu: «Ein freier Mensch ist vielleicht einer, der seine Träume realisieren kann. Wenn ich an meine Kindheit denke, so fühle ich mich umso freier, je mehr Träume von damals ich verwirklichen konnte. Ich wollte weggehen, seit ich sieben war. Oder Bildhauer werden. Aber absolute Freiheit, das gibt es nicht.» So erzählt der Film – über das Individuelle und Spezifische hinausgehend – eine universelle Geschichte. Nach Studium von Oeuvre und Vita war ich überzeugt: Not Vital muss man sich mittels offenem Geist und Intuition annähern. Die Fantasie, die Suggestion, der Traum sind die Schlüssel zu Vitals Schaffen. In NOT ME spielt die Fiktion immer wieder in die Realität. Ich wollte nicht alles erklären – aber mich auch nicht in Verklärung verlieren.
Not Vital einen kleinen Jungen als Alter Ego entgegenzustellen, war anfänglich eine simple Idee. Im Laufe der Arbeit an NOT ME wurde dieser kleine Junge jedoch immer wieder kritisch diskutiert. Für was steht er wirklich? Ist er eine Metapher für den unschuldigen Blick eines Jungen auf unseren Planeten? Bin auch ich dieser Junge? «Da ist auch viel von dir drin», sagte mir Not, als ich ihm den Rohschnitt zum ersten Mal zeigte. Das Projekt ist zu einer Zeit in mein Leben gekommen, als mein Vater schwer erkrankte. Die Auseinandersetzung mit meinem sterbenden Vater, meinem eigenen Leben, meiner eigenen Kindheit, schlich sich unweigerlich in den Arbeitsprozess zu NOT ME. Meine Fragen an Not waren meist auch Fragen an mich selbst. Ich rang lange damit, dass der Abschied von meinem Vater und damit auch meine Geschichte im Film spürbar wurden. Intuitiv wusste ich jedoch, dass dies Platz haben muss, es nur aufrichtig meinem Protagonisten gegenüber ist.